Die aufwertenden Codes gibt es selbstverständlich, ohne „stets“ und seine Synonyme wäre es kaum möglich, sprachlich die Noten 1 und 2 darzustellen. Aber um die geht es hier nicht.
Wenn wir hier über Zeugnis-Codes schreiben, dann meinen wir die verschlüsselten Zeugnisformulierungen, die bösen Codes.
Wenn man sich die deutsche Fachliteratur zum Thema Arbeitszeugnis anschaut, so widmet sich ein sehr großer Anteil davon dem Erkennen von Zeugnis-Codes und abwertenden Zeugnistechniken.
In unserer mittlerweile über 15-jährigen Praxis als Zeugnisschreiber ergibt sich allerdings ein überraschend positiver Eindruck:
Die große Mehrzahl der Zeugnisse wird in wohlwollender Absicht geschrieben.
Die Formulierungen in Note 5 sterben aus. Wir haben seit über zehn Jahren in uns zur Begutachtung vorgelegten Zeugnissen solche Formulierungen nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Ja – es gibt sie immer noch, die Abwertungstechniken, und es wird sie immer geben. Aber die Angst vor schlimmen Formulierungen und bösen Fallstricken im Zeugnis wird dramatisch überbewertet.
Als Konsequenz unserer rechtsstaatlichen und zuverlässig arbeitenden Rechtsprechung hat sich in der Praxis der Personalabteilungen ein reduziertes Notenspektrum entwickelt.
Damit können wir Leistungsträger, gute Mitarbeiter, durchschnittliche Mitarbeiter und Malperformer unterscheiden und zeugnissprachlich visualisieren.
Und das nach den verpflichtenden Vorgaben: dem Wahrheitsgebot und dem Wohlwollensgebot.
Die Zeugnis-Codes sind heutzutage sehr vielen Menschen bekannt. Wird ein Zeugnis mit solchen codierten Formulierungen ausgestellt, wird sehr häufig dagegen juristisch vorgegangen.
Formulierungen wie „war stets bemüht“, „im Großen und Ganzen“, „stand immer voll hinter seinen Kollegen“, „zeigte bei der Einarbeitung Einsatz und Initiative“, „Arbeitsleistung war nicht
unerheblich“ sind nach unserer Einschätzung der Ausdruck einer veralteten Denkweise.
Sie haben das Wohlwollen auf einer rein sprachlich wohlklingenden Basis definiert, sind aber inhaltlich wie auch zwischenzeilig alles andere als wohlwollend.
Den Artikel 1 des Grundgesetzes*) sehen wir als Aufforderung, auch für einen nicht so guten Mitarbeiter das Zeugnis wertschätzend zu formulieren; genau so buchstabieren wir in der Zeugnisfabrik
die Begriffe „wohlwollend“ und „berufsfördernd“.
Für Zeugnisschreiber ist es im Allgemeinen kein Problem, ein gutes oder sehr gutes Zeugnis für einen wirklich guten Mitarbeiter oder Leistungsträger zu formulieren.
Die Schwierigkeiten beginnen erst bei den Zeugnissen für die nicht ganz so guten Mitarbeiter, aber:
Wir haben als Zeugnisschreiber großes Glück und können heute einen juristisch korrekten Weg gehen, ohne codierte Aussagen in den Zeugnissen zu verstecken.
Die Note 3 verwendet eine ebenso einfache wie klare Wortwahl – schlicht, aber in der Regel uncodiert. Versteckte oder mehrdeutige Formulierungen findet man hier so gut wie nicht – einzige Ausnahme: Abwertungstechnik „Umkehr der Reihenfolge“**).
Ist eine Note 4 angemessen und im Falle eines Rechtsstreits belegbar, so formulieren wir sie nach Möglichkeit nicht aus. Wir nutzen die Zeugnistechnik „Lautes Schweigen“**).
Zeugnisse aus der Zeugnisfabrik sprechen uncodierten Klartext und sind im wahren Sinne des Wortes wohlwollend.
Die Note 5 kommt in unserem Beurteilungsbogen nicht mehr vor. In der heutigen Zeugnissprache finden aber einige der folgenden Abwertungstechniken nach wie vor Anwendung:
*) Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
**) Die beiden einzigen Abwertungstechniken, die wir nach Rücksprache mit dem Kunden in der Zeugnisfabrik einsetzen.